Es gibt im Tantra sechs wichtige Punkte, die alle mit dem Buchstaben „S“ anfangen. Das erste ist Sangha, die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. Viele meinen, es reiche, seine Privat-Religion für sich im stillen Kämmerlein zu pflegen. Sie denken, es sei nicht nötig regelmäßig eine spirituelle Gruppe unter der Leitung eines guten Lehrers zu besuchen. Doch das ist töricht. Die Gemeinschaft ist eine unverzichtbare Stärkung und Inspiration für den Einzelnen. Nur sehr sehr wenige Ausnahmen schaffen eine Bergwanderung bis auf den Gipfel alleine ohne Begleitung. Vielleicht ein Mensch von einer Million oder weniger. Auch der spirituelle Weg ist manchmal so, als ob wir einen reißenden Fluss überqueren wollten. Die Brücke wurde weggerissen. Die Überquerung geht leichter, wenn wir es mit mehreren zusammen versuchen und jeder sich an den Nachbarn in einer Kette festhält. Wir müssen in der Gemeinschaft von den Erfahrungen und Verwirklichungen der anderen hören. Von den Älteren, die schon länger auf dem Weg sind können wir sehr viel lernen. Von den Gleichen spüren wir Verständnis und Mitgefühl, weil sie unter den gleichen Problemen und Schwierigkeiten leiden wie wir, das tröstet. Und die Jüngeren in der Gruppe, denen können wir Hinweise für ihren Weg geben oder als Vorbild und Beispiel voran gehen. Darum ist es für jeden Menschen so wichtig eine solche Gruppe zu haben. Wir bieten dazu das Energiefeld von Kularnava an mit vielen Veranstaltungen jedes Jahr.
Das zweite ist Seva, der Dienst. Jeder Mensch muss und darf anderen dienen, ihnen helfen, sie unterstützen, um weiterzukommen. Der Tantriker sieht das Helfen aber in erster Linie nicht als soziale Tat, auch nicht als karitatives Helfen der „Rote-Kreuz-Schwester‘, sondern er macht diese selbstlose Arbeit für andere, um die Große Göttin zu erfreuen. Er macht es, um an ihrem großen wundervollen Spiel der Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung beteiligt zu sein. Er bittet die Große Göttin darum, Werkzeug und Kanal zu sein, für ihre Impulse der Wahrheit, die immer zu Frieden und Glück führen. Wenn wir das Dienen als Dienst für die Göttin verstehen, verhaften wir uns auch nicht den Menschen, denen wir helfen wollen, sondern bleiben mitleidslos und unverhaftet, innerlich frei. Wichtiger als die Resultate, die Ergebnisse, die Erfolge unserer Taten ist die Einstellung der Liebe mit der wir sie ausführen. Die Resultate liegen in den Händen der Göttin. Somit können auch Taten, die ‚umsonst‘ oder ‚für die Katz‘ waren, wie man so schön sagt, sehr sinnvoll und gut gewesen sein.
Das dritte ist Sadhana, die Übung. Ein spiritueller Weg ohne Übung auch im täglichen Alltag, ist nicht fruchtbar. Nur durch regelmäßige disziplinierte Übung können wir Fortschritte machen, uns weiter entwickeln. Wenn wir nämlich nicht üben und auch gerade nicht in der spirituellen Gemeinschaft sind oder bei Heiligen oder hochstehenden Lehrern, fallen wir den alten Mustern unseres Ego wieder anheim. Diese Muster haben Macht. Sie sind die geballte negative Ladung unserer Vergangenheit, all die Illusionen und Süchte und Abtrennungen aus denen unser Ego besteht. Erst durch die Übung der Tantra-Rituale, Massagen, Meditationen, der Vereinigung, des Yoga, des Mantra-Singens, des Lesens und Studierens der heiligen Texte können wir uns diesen alten Mustern entziehen und sie für immer auflösen.
Das vierte ist Ordnung. Sobald wir in einer spirituellen Gruppe sind, brauchen wir eine Ordnung, die aus Regeln besteht und ihrer Einhaltung notwendig macht. Ohne diese Regeln ist kein fruchtbares Gruppenleben möglich. Das schränkt zwar in kleinem Masse unsere Freiheit ein, schenkt uns aber die Bindung und Sicherheit innerhalb der Gruppe und tut der Seele gut. Revolutionäre sind einsam. Man feiert sie vielleicht dann und wann, man winkt ihnen nach, aber sie sind einsam. Darum lasse Dich in der Gruppe auf den Verhaltens-Kodex ein in Demut.
Das fünfte ist der Lehrer. Ohne einen guten Lehrer kannst Du keine Fortschritte machen. Für alle Bereiche des Lebens, in denen wir etwas Neues lernen möchten, suchen wir Lehrer. Zum Lernen einer neuen Sprache für Segway-Fahren, für Salsa-Tanzen…aber bei spirituellen Themen haben wir Zweifel und Angst. Ist der Lehrer aufrichtig, authentisch, wahrhaftig und erfahren? Ja, prüfe den Lehrer genau bevor Du ihn wählst. Aber dann vertraue ihm 100% und folge in tiefem Glauben allen Anweisungen. Ihm darfst Du auch alle Deine allzu menschlichen Zweifel und Unfertigkeiten anvertrauen. Er wird sie kennen von seinem eigenen Weg. Versuche den Lehrer nicht zu belehren oder zu verbessern. Das ist die heilige Aufgabe für Dich selbst. Immer wenn Du andere versuchst zu verändern, veränderst Du Dich selbst nicht. Wisse, dass Du beim Lehrer bist, um Dich selbst zu verändern. Er weist Dir den Weg zur Freiheit und wird Dir sagen, wann die Lehre abgeschlossen ist und Dich entlassen. Bis dahin nutze den Lehrer als Bergführer und diene ihm mit Liebe.
Denn das stärkt auch die Liebe zu Dir selbst. Verwechsle den Lehrer niemals mit einem abgelehnten Elternteil, mit dem Du noch verstrickt bist. Du bist erwachsen. Und der Lehrer ist es auch.
Das sechste ist die Lehre selbst. Wir brauchen eine Gebrauchsanleitung für unseren spirituellen Weg. Eine Gebrauchsanleitung, die intelligent ist und auf viel Erfahrung beruht. Eine Gebrauchsanleitung, deren Sprache wir verstehen können. Wir sollten einer Tradition folgen, das ist intelligent weil von Tausenden Menschen zuvor erprobt. Wenn Du Dir ein Elektro-Auto kaufst, und da steht drin, es hat eine Reichweite von 300 km und dann muss es aufgeladen werden, fährst Du auch nicht 600km damit, sondern glaubst, was in der Anleitung steht. So ist es auch mit den Heiligen Schriften und Aussagen der erleuchteten Meister. Glaube es und setze es um. So bleiben Dir einiges Leid und einige Verwirrung erspart. Tantra lehrt: Es gibt nur ein Göttliches, aber viele Wege zu ihm. Dennoch sollte jeder einen Weg auswählen, der ihm liegt und ihn gehen.