Tantrameister Andro
geb. 25.8.1941, gest. 22.12.2019
Persönlicher Nachruf an Tantra-Meister Andro
Heute ist Heiligabend und vorgestern ist Andro, der Berliner Tantra-Meister auf seiner brasilianischen Liebesinsel Tao Oasis von uns gegangen, wie ich hörte.
Somit ist einer der ganz großen Pioniere und Tantra-Lehrer von der Bühne abgetreten und setzt seine Reise in einer anderen Welt fort. Wir haben ihm sehr viel zu verdanken und ohne ihn wäre das heutige „Neo-Tantra“, so kaum denkbar.
Lieber Andro, einige Jahre durfte ich Dein Schüler und Organisator sein und danke Dir von Herzen für das Viele, Viele Wertvolle das ich lernen durfte. Ein Teil von Dir wird mich in der Methodik und Lehre immer begleiten.
Und ich will tief bewegt und schmerzvoll ausrufen: „Lob und Preis Dir Andro und Deinem großen geistigen Werk, dass Du hinterlassen hast! Ehre sei Dir und Frieden! Mögest Du in den Armen der Großen Göttin glückselig ruhen!“
Ja, er war und ist der größte lebende Meister des linkshändigen roten Tantra des Abendlandes, das darf neidlos jeder anerkennen, egal wie er/sie zu seinen Lehren und Leben gestanden hat.
Geboren im Jahr 1941 verbindet Andro und mich, dass wir am gleichen Tag Geburtstag hatten, nämlich am 25. August verrückterweise. Und gestorben ist er – wohl am 22. Dezember, dem Geburtstag meines Vaters. Somit gehört er zu den Tantra-Lehrern der ersten Generation, (neben vielleicht noch Advaita, 1949 geboren und Margo Anand geb. 1944, zu den absoluten Pionieren. Und sicher war er der radikalste bekannte Lehrer im linkshändigen Tantra, der mit Vorliebe Tabus brach und die bürgerliche Gesellschaft mit ihren – oft verlogenen – Werten zu provozieren wusste. Ein Grenzüberschreiter, der auch den Zeitgeist der 68’er Generation noch lebte und mitnahm. Von ca. 1990 bis 2000 war ich sein Schüler und Organisator und oft besuchte er meinen damaligen Anandamayi Ashram in Köttingen Lindlar, einem Haus, allein an Wald und Bach gelegen und war einige Jahre in meiner Tantra-Lehrer-Ausbildung ab 1994 ein Gast-Referent.
Ähnlich wie ich, kam er von seinem Elternhaus her aus einer Natur-Heil-Tradition.
Ich habe noch vor Augen wie er in einem Workshop des Feuerlaufens nicht durch die glühenden Kohlen ging, sondern sich nackt liegend durch das Feuer wälzte – so war er extrem und wahrlich verrückt, eine schillernde Persönlichkeit wie ein Papagei. Oder wie er in den heißen Quellen von Saturnia trommelte, ein Feuer entzündete und nackt mit der Gruppe tanzte, und das im prüden Italien, später von der Polizei abgeführt. Oder wie wir früh morgens auf meiner Terrasse alle nackt in einer Badewanne draußen ins kalte Wasser tauchten, oder wie ich das erste Mal in meinem Leben nackt in Körperkontakt mit einem Mann die Nacht schlafend verbringen sollte oder wie wir nackt vor einem körperhohen Spiegel masturbierend standen in der Gruppe und jeder sich selbst dabei in die Augen schauen sollte… Oder wie er mich als geborener Vegetarier in einem Ritual wirklich dazu brachte, ein Stück Steak zu essen – für mich ein sehr großer Tabubruch bis heute das erste und letzte Mal….
Auch Bilder spuken noch in meinem Geist herum, wie er auf den Seminaren täglich mehrere Kannen Schwarztee trank und den halben Tag in der warmen Badewanne verbrachte….
Dem nicht eingeweihten Leser wird das alles sehr „strange“ vorkommen… Andro konnte jeden aus der Reserve locken. Äußerlich stets ruhig und friedlich, doch in der Konsequenz seiner Ritual-Strukturen oft sehr konfrontierend, in seinem Ausdruck zen-mäßig nüchtern, Witze zu machen war bei Andro meist verboten….
Was durfte ich von ihm mitnehmen und weitertragen in der Rückschau? Ich habe wahrlich und wirklich gelernt, was Massage ist, die Kunst die Hände an einem anderen Körper heilsam einzusetzen. Er war wirklich der größte Massagemeister. Er hat uns vorgelebt, wie tabufreie Nacktheit gelebt wird. Die Selbstverständlichkeit seines Auftretens – kompromisslos – was in diesem intimen Bereich weiß-Gott-nicht selbstverständlich ist, in unserer leider immer noch sehr verklemmten Kultur. Andro haben wir es zu verdanken, dass er durch die Rituale von Ashley Thirleby das linkshändige Tantra in den Westen brachte und ihm eine Form gab. Mein Gott, wer sollte noch wirklich wissen, was die Tantriker vor 1000 Jahren in der Entstehungsgeschichte gemacht haben? Alle Texte und Quellen sind sehr wage und verklausuliert in indischer Symbolik, wir mussten es neu erfinden für westliche Menschen.
Und so – ausgehend sicher am maßgeblichsten von dem indischen Meister Bhagwan Shree Rajneesh, später Osho genannt (1931-1990), den Andro noch persönlich besuchte (übrigens ebenso auch meine Mutter), hat Andro neben den Massagen, das Selbstlieberitual und Maithuna das Vereinigungsritual maßgeblich in die Praxis umgesetzt, mit großem Mut, Ausdauer und Enthusiasmus. Laut Andro war Tantra ohne Vereinigung kein Tantra.
Dabei ist Andro immer bescheiden und demütig geblieben. Und vor allem war er ein sehr geerdeter Mensch. In Berlin sah ich ihn in seinem damaligen Antinous-Institut heute Diamond Lotus – strickend am Boden sitzen und zwischendurch Ramana Maharshi lesend, bei der Küchen- oder Hausarbeit oder beim Kloputzen – dafür war er sich nie zu schade, und hat nicht einen auf „großer Guru“ markiert. Auch das habe ich mitgenommen von Dir, verehrter Andro. Ja, Du warst immer sehr praktisch und hast viele Handwerkskünste beherrscht….
Und Du hast das „Kommune-Projekt“ immer gelebt, eine große Utopie von der viele träumten seit den 70er Jahren. Du hast es weitergeführt und Dir ebenso einen Traum verwirklicht, die eigene Liebesinsel im Amazonas Delta in Brasilien. So hast Du immer den Mut besessen mit neuen Lebensformen zu experimentieren und sie in die Tat umzusetzen, lebenslang erz-schwul aber auch z.B. in Dreier-Beziehung mit Mann und Frau lebend.
Und Du hattest immer ein großes Herz für die „Aussätzigen der Gesellschaft“, Menschen, die kaum in ein Schema reinpassten, wie Du und hast ihnen liebevoll einen Rahmen gegeben und geschaffen in Deiner Kommune.
Man musste nicht das, was Du tatest gut finden, aber mit großer Konsequenz und Disziplin bist Du Deinem Weg und Deinen Werten immer treu geblieben.
So bleibst Du in vielen wertvollen Aspekten immer ein großes Vorbild für mich, das mir Kraft und Mut gegeben hat und gibt, meinen – auch ganz persönlichen und anderen Weg – zu gehen.
Mögen wir von Dir inspiriert immer den Mut haben weiter Neuland zu betreten, Grenzen zu überschreiten, egal was andere, egal was die jeweils vorherrschende Moral oder „Political Correctness“ dazu denkt. Darin wirst Du mir auch immer ein leuchtendes Vorbild sein.
Es lebe das linkshändige Tantra!