Der Vogel kämpft sich aus dem Ei. Das Ei ist die Welt. Wer geboren werden will, muß eine Welt zerstören. Der Vogel fliegt zu Gott. Der Gott heißt Abraxas.
Hermann Hesse
Dein Leben – Schicksal oder Eigenkreation?
Das ist eine sehr wichtige Frage. Manche sagen, man bräuchte nur seinen Willen fest auf etwas zu richten, dann könne man sein Ziel erreichen. Die Asiaten hingegen lehren seit tausenden von Jahren, dass das Leben des Menschen vorgegeben sei und somit das intelligenteste, sich einfach dem Geschehen hinzugeben, ohne dagegen anzukämpfen oder etwas ändern zu wollen. Und auch könne der Mensch nicht denken, was er will, noch könne er andere denken machen, was er will. Was stimmt nun? Ein alter Konflikt überfällt da uns westlich-zivilisierte Menschen.
Deshalb geraten auch so manche in die Frustrationsfalle, die mit positivem Denken, Visionen oder so genannter „weißer Magie“ verbunden sein kann; oder wie jetzt an dem Beispiel vom neuen amerikanischen Präsidenten Barack Obama: Glaubst Du, lieber Leser, die Welt würde sich verändern, nur weil er die Parole „Yes, we can!“ ausgegeben hat und viele sie begeistert rufen? Und: Warum ist das Wunder geschehen, dass er als erster Schwarzer zum Präsidenten wurde? Weil er es stark gewollt hat oder weil es das Schicksal der Welt zu diesem Zeitpunkt war?
Große Ereignisse können nur geschehen, wenn unser Eigenwille übereinstimmt mit einer gewissen Zeitqualität in der Menschheitsgeschichte. Ein Mann wie Osho, der Erfinder des Neo-Tantra, hätte in heutiger Zeit kaum noch eine Wirkung. Damals in den 70’ern und 80’ern hat er eine geistige Revolution mit eingeleitet – weltweit als Vorreiter. Er hat Dinge gedacht – uns vorgedacht, die keiner vor ihm so gedacht hat. So wurde er zu einem Wegbereiter.
Anscheinend sind wir in unserem Denken und Wollen an einen relativ engen Kreis gebunden. Ich kann wohl das und das phantasieren, mir etwas einbilden, ich wollte unbedingt auf den Mond kommen oder so etwas, aber ausführen und genügend stark wollen?
Ganz unabhängig aber von weltweiten oder politischen Umwälzungen gilt folgendes Gesetz für die Verwirklichung des persönlichen Willens, des eigenen Lebens-Traumes, des individuellen Wunsches:
Wenn der Wunsch ganz in mir selbst liegt, wenn wirklich mein ganzes Wesen von ihm erfüllt ist, dann kann er sich manifestieren, sogar in relativ kurzer Zeit.
Sobald das der Fall ist, sobald Du etwas probierst, was Dir von innen heraus befohlen wird, dann geht es auch, dann kannst Du Deinen Willen anspannen wie ein gutes Pferd vor einen Wagen.
Das ganz Unesoterische daran ist, dass wenn Du einmal tief erfüllt bist von einem Traum und Deine Konzentration und Deinen Willen darauf lenkst, also einen Fokus mit viel Wachheit verfolgst, dann wird auch Dein Wille jede Gelegenheit packen, diesem Ziel näher zu kommen. Es ist also nicht nur die Magie des Wollens, sondern die gesteigerte Aufmerksamkeit, Chancen zu sehen und zu ergreifen, Möglichkeiten auszuprobieren; das, was Dir das Leben im Alltag an so genannten „Zufällen“ entgegenbringt, zu ergreifen und sofort in die Tat umzusetzen. Wenn der, der etwas notwenig braucht, dies ihm Notwendige findet, so ist es nicht der Zufall, der es ihm gibt, sondern er selbst, sein eigenes Verlangen und Müssen führt ihn hin.
Ja, Tantra sagt, lebe Deine Wünsche aus. Aber so leicht ist das nicht immer: Zum einen steht dem oft die Moral unserer Erziehung entgegen und zum anderen kann man sich nur des wahren Glücks der Wunscherfüllung erfreuen, wenn es echte Herzenswünsche sind, die aus tiefster Seele kommen, also Deine wahre innere Bestimmung sind. Ja, Tantriker sind nicht normal, – welcher Mensch ist schon normal –,(den gibt es eigentlich garnicht, außer in der Statistik). Sie sind verrückt. Die Norm kommt dem Bedürfnis der Herde nach. Das Schaf läuft deshalb in der Herde, weil es die Wärme der Gruppe nicht missen möchte. Insofern ist der tantrische Leitsatz: „Lebe Deine tiefsten Herzenswünsche aus, lebe Deine besondere Bestimmung!“ oft schwer zu leben, denn wer das tut ist einsam. Nicht körperlich einsam, weil er nicht regelmäßig mit Menschen, Familie, Freunden, einem Partner zusammen sei, sondern einsam, weil keiner außer ihm im Universum eben genau diese Bestimmung hat, weil jedes Wesen einzigartig ist. Vor dieser Art von Einsamkeit haben die Menschen Angst und passen sich deshalb an die Masse und ihre Gesetze an. Das ist oft schade und immer unkreativ.
Tantra ruft Dir frisch und frei zu: Lebe Deine Träume, spiele sie, baue ihnen Altäre! Es ist noch nicht das Vollkommene, aber es ist ein Weg. Fürchte Dich nicht vor Deinen Träumen und laufe nicht vor ihnen davon! Sie sind das Beste, was Du hast. Du darfst nichts fürchten und nichts für verboten halten, was die Seele in uns wünscht. Wenn Du also „verrückte“ Einfälle hast, zerstöre sie nicht dadurch, dass Du sie vertreibst und an ihnen herummoralisierst. Wenn Dir also mal wieder etwas Tolles oder Sündhaftes einfällt, wenn Du eine Unflätigkeit begehen möchtest, denke einen Augenblick daran, dass Gott es ist, der so in Dir phantasiert. Du musst Dich auf Dich selber besinnen, und dann musst Du das tun, was wirklich aus Deinem Wesen kommt.
Die meisten verstellen sich, um der Bequemlichkeit willen. Es ist erstmal einfacher, dem Drang der Herde, dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit nach zu kommen, als seine wirkliche Bestimmung zu leben. Es gibt auch keinen Ratgeber, keinen Therapeuten, kein Buch, keinen Guru, der einem da wirklich weiter hilft. Im Gegenteil, oft führt der Ratgeber in die Irre. Weil eben niemand Dich so gut oder gar besser kennen kann als Du selbst. Das geht nur wenn Du immer wieder tief in Dich hinein spürst und Dir auch immer einmal wieder Zeit nimmst, Dich ein wenig aus dem Trubel der Welt zurückzuziehen, um es in Dir aufkeimen zu lassen. Wenn die Intuition zu sehr von täglichem Aktionismus und verstandesmäßigen Zielen überdeckt ist, bleibt sie verborgen – dann bleibt nur noch der Weg der Masse, der Weg der Anpassung und leider heute oft der Weg der Sucht. Sucht ist die verirrte Suche.
Darum sollten wir auch nur das Denken, was wir leben. Das viele Sorgen, Fantasieren, Vorstellen hat keinen Wert. Und das zu kluge Reden hat auch keinen Wert. Man kommt von sich selber weg.
Die Dinge, die wir sehen, sind dieselben Dinge, die in uns sind. Es gibt keine Wirklichkeit, als die, die wir in uns haben. Darum leben die meisten Menschen so unwirklich, weil sie die Bilder außerhalb für das Wirkliche halten und ihre eigene Welt in sich gar nicht zu Worte kommen lassen. Man kann glücklich dabei sein. Aber wenn man einmal das andere weiß, dann hat man die Wahl nicht mehr, den Weg der meisten zu gehen.
Es hört sich schön an: ‚Lebe alle Deine Möglichkeiten!’
Nun, es sind die Möglichkeiten zum Menschen da, aber erst indem Du sie ahnst, indem Du sie teilweise bewusst machst, es lernst sie bewusst zu machen, erst dann gehören diese Möglichkeiten Dir. Kularnava-Tantra ist eine Schule, wo man das im Kreis Gleichgesinnter lernen kann.
Wie verbinden wir das schöpferische Leben der Herzenswünsche – also der eigenen Bestimmung – mit einer tiefen Religiösität, mit dem Glauben an eine höchste Macht, an den Urgrund allen Seins, die Fügung, Gott, wenn Du willst?
Ich denke, seine Bestimmung zu leben – auch gegen alle Moral ist zutiefst religiös und gott-gefällig. War Jesus jemand, der gelebt hat wie die Masse? Hat er den äußeren Gesetzen gehorcht? Nein. Und nur deshalb konnte er der Menschheit etwas Außergewöhnliches, etwas Neues schenken. Nur leider wurde aus seiner Lehre, und seinem Gottesbild wieder etwas Angepasstes, etwas Starres geformt, etwas an das die Menschen sich wie in einer Herde halten konnten, was ihnen Wärme und Sicherheit gab. Aber so war es dennoch nicht gedacht. Auch die Abspaltung eines Gottesbildes in „Himmlischer Herr“ und „Höllischer Teufel“ war so nicht gemeint. Ja, wir haben mit dem Christen“tum“ einen Gott bekommen, den wir verehrten, aber der stellt nur eine willkürlich abgetrennte Hälfte der Welt dar (es war die offizielle, erlaubte „lichte“ Welt). Tantra lehrt aber, dass man die ganze Welt verehren kann. Das geht nur, wenn man ein neues Verständnis von Gott hat, einem Gott, der gleichzeitig auch Teufel ist. Das „schlimme“ Wort ‚Teufel’ steht hier nur für den Schatten, das Verbotene, das Unbewusste, das Schlimme und das Schmerzliche im Leben, das aber nun einmal die Hälfte der Welt und die Hälfte eines jeden Menschen ausmacht!
„Shiva-Shakti“ ist das Göttliche im Tantra und beinhaltet die Polarität und eben auch die dunkle Seite. Gott, wie Tantra ihn versteht, hat gegen keinen Deiner Wünsche etwas einzuwenden – auch nicht die „Schlimmen“. Gott im tantrischen Verständnis hat gegen keinen Deiner Gedanken und Träume etwas einzuwenden. Vergiss’ das nie. Aber er verlässt Dich, wenn Du einmal tadellos und normal geworden bist, dann sucht er sich einen anderen Topf, um seine Inspirationen darin zu kochen.