Lucian's Tantra-EssaysPaar am Strand, Paartherapie im Tantra

Tantra ist der Weg, Spiritualität auf die Erde zu bringen

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Es gibt eine ganz besondere Aufgabe für jeden, der sich auf den spirituellen Weg gemacht hat, nämlich seine kreative Schöpferaufgabe als Individuum zu erfüllen und – sich gleichzeitig hingebungsvoll in den Dienst einer höheren göttlichen Macht zu stellen. Das Zusammenzubringen dieser beiden Seiten ist nicht immer leicht und eine große Herausforderung des Göttlichen an uns.

In der Geschichte der Menschheit sehen wir diese zwei Bewusstseinshaltungen und Lebensweisen oft gespalten.

Auf der einen Seite sehen wir die Klöster, die Ashrams, die Kirchen und die Menschen, die sich privat oder in einer Institution aus der Welt zurückziehen und eben nur die eine Hälfte des spirituellen Weges leben, die Hingabe an Gott in Gebet und Meditation, in der Ausübung spiritueller Praktiken und Rituale.

Diese Menschen leben fatalistisch, d.h. schicksalsgläubig – „Dein Wille geschehe!“ ist die Maxime. Sie pflegen die demütige Haltung, dass ein Mensch nur ein Sandkorn im Universum ist. Alle Geschehnisse sind von Gott gelenkt, ohne dass der Mensch Einfluss nehmen könnte, so die Auffassung. Alle Egobedürfnisse seien nur eitel, weil sie letztendlich in Leid und Schmerz enden und zumindest kein inneres Glück und keine Frieden schenken, so die alte Lehre. Das ist der Rückzug vom Trubel des materiellen Lebens in die Höhle. Es ist die Verweigerung, sich mit dem Materiellen auseinanderzusetzen, die Abwendung vom Diesseits hin zum Jenseits, der Boykott der Welt. Und es ist ein sehr introvertiertes Leben. Doch so werden die Menschen zwar ein wenig heilig, aber niemals verwirklicht. Zumal nicht heute und in dieser Zeit.

Dieser Weg – der traditionelle spirituelle Weg – für sich genommen, ist auf eine Weise leicht, weil die Welt ausgeblendet wird, als würde es sie nicht geben und auch nicht das Ego des Individuums.

Auf der anderen Seite sehen wir die puren Materialisten, die ausschließlich nach den Impulsen des Egos leben, symbolisiert durch den „American way of life“. Lebe Deine Träume! Alles ist möglich! Du kannst immer noch mehr erreichen, Du musst es nur wollen! Immer größer, immer schneller, immer mehr, immer reicher, Superlative als Lebensantrieb, gepaart mit der Gier, aus dem Leben auch noch den letzten Tropfen an Lust herauszupressen: Ein Leben, als gäbe es kein Morgen, so die Einstellung der westlichen Positiv-Denker und Neomaterialisten des Geistes. Setze Dir immer neue Ziele! Lebe alle Deine Möglichkeiten und Potentiale aus und befriedige alle Deine Bedürfnisse! So lauten die Maximen des zweiten Weges.

Auf eine Weise ist auch dieser Weg leicht, weil ein Großteil des Spirituellen ausgeblendet wird. Man tut so als gäbe es keinen Gott, keine höhere Macht, kein Schicksal, das doch schlussendlich alles leitet. Bei Naturkatastrophen sehen wir allerdings immer wieder sehr deutlich, wie klein, wie hilflos und wie nichtig der moderne Mensch ist, trotz aller hochentwickelter Wissenschaft und trotz aller moderner Maschinen.

Diese beiden Wege klaffen seit Jahrhunderten, ja vielleicht schon seit Men-schengedenken auseinander.

Entweder spirituell oder materiell, entweder Ego-bezogen oder Gott-hingegeben… was ist die Wahrheit denn nun und/oder könnte man diese beiden Wege sogar harmonisch zusammenbringen???

Man kann nicht nur, man muss. Jeder, der sich nur auf den einen Weg versteift hat, wird irgendwann gezwungen, die Augen zu öffnen für die andere Seite, die ebenso wahre Seite der göttlichen Medaille, um echte Meisterschaft, vergeistigte Materialität und geerdete Spiritualität zu entfalten. Das ist der Königsweg. Das ist die Vollendung jedes Weges. Das ist die wahre Erfüllung des göttlichen Auftrages auf dieser wunderbaren und ebenso schrecklichen Erde.

Denn auch die alleinerziehende Mutter mit Kindern innerhalb der Kämpfe dieser Welt stehend, und auch der umtriebige Geschäftsmann mit 1000 Terminen, Projekten, Pflichten, sie können und dürfen den spirituellen Weg gehen INMITTEN ihrer Aufgaben und ohne Rückzug. Ebenso darf der „spirituelle Höhlenmensch“ sich mit der Welt verbinden, Familie, Sexualität, Haus und Heim, Auto und Luxus genießen, um am Schönen der Erde teilzuhaben, denn Gott hat uns nicht umsonst die Augen gegeben, um Schönheit zu sehen, die Haut, um Schönheit zu berühren, die Nase und den Gaumen um Schönheit zu riechen und zu schmecken. Darin liegt ein tieferer Sinn. Es war KEIN Versehen der Schöpfung.

Jetzt setzt Tantra an. Es ist der einzige Weg, der auch traditionell schon immer diese beiden Wege zusammenbringen wollte und zusammengebracht hat.

Hier lernen die Studenten Feuer und Wasser zusammenzubringen, das Unmögliche möglich zu machen, das Fest der Vermählung von Vater Himmel und Mutter Erde zu feiern. Tantra sagt, lebe totale Spiritualität und totalen Materialismus – als eine göttliche Kraft gemeinsam. Beides ist ohne Unterschied göttlich und soll geehrt werden. Gebet und Wunscherfüllung sollen zusammen gelebt werden.

Aber das Wesentliche ist, sich in einen Geisteszustand zu versetzen, der dem des Gebetes nahe kommt.
Henry Matisse, Franz. Maler 1869-1954

Die Talente an’s Licht zu halten und manifestieren einerseits, genauso die meditative Ausgerichtetheit von „Dein Wille geschehe, oh göttliche Mutter“.

Dies in der Praxis zu lernen, ist die Aufgabe in den Tantra-Seminaren und der Tantra-Ausbildung. Hier wirst Du immer wieder mit Deinen materiellen oder auch spirituellen Grenzen in der Begegnung im Ritual mit Menschen konfrontiert. Hier gibt es kein Entrinnen in schöne Theorien und esoterische Träumereien. Hier wird ebenso Deine Sucht aufgedeckt, nach materiellen Dingen oder Gefühlen. Hier triffst Du auf echte Wahrheit, auf Deine Wahrheit, im Spiegel des Gegenübers, im Spiegel der Gruppe.

Und: Hier erlebst Du die Gnade, im starken Energiefeld der Gruppe bewusst lebender Menschen aufzuwachen. Hier werden Roh-Diamanten zu echten Brillianten. Hier wird jede Deiner Facetten geschliffen und poliert.

Das kann keiner allein vollbringen. Das kann auch keiner im Paar so kraftvoll bewerkstelligen. Und das kann gewiss niemand durch das Lesen weiser Bücher und heiliger Schriften. Die Gruppe ist durch nichts zu ersetzen.

Hierzu ist Praxis, direkte Erfahrung nötig, im Energiefeld einer Gruppe Gleichgesinnter unter Leitung eines Menschen, der diese Reifungs-Prozesse schon vor den Teilnehmern durchgemacht hat und die Kraft und Erfahrung besitzt, den Rahmen und die Atmosphäre zu schaffen, dass die spirituellen Schüler wachsen können. Wachsen müssen sie selbst – das wird ihnen keiner abnehmen. Die Verantwortung und Freiheit bleibt immer bei Dir.