Kularnava Tantra lehrt das Ausleben der Gefühle. Liebe, Freude, Angst, Wut, Trauer – das sind die Grundgefühle. Welches davon lebst du am wenigsten in den letzten Monaten?
Emotion ist Energiebewegung im Körper – erstmal nichts weiter, unterdrücke sie nicht. Gefühle dienen dazu, das Leben mit allen Geschehnissen zu verarbeiten.
Der Schatten – Dein Freund
Tantra lehrt: Liebe ALLE Deine Gefühle, nicht nur die lichten, sondern auch und gerade die „Schatten-Emotionen“ die ungeliebte Seite, das Weggedrängte. Nur zu oft habe ich in der Psychotherapie gesehen, wie man versucht, diese Gefühle weghaben zu wollen, „loszulassen“, aufzulösen. Der Tantriker hingegen weiß, daß Angst, Wut, Trauer wichtige Navigationssysteme der Seele sind und nötige Verarbeitungsmechanismen. Er macht sie sich zum Freund. Sie dürfen da sein – ohne das Ich zu terrorisieren. Sie haben ihren Platz und es ist wichtig, auch der Angst, der Wut und der Trauer Aufmerksamkeit zu schenken, wenn sie kommen. Das Weghabenwollen macht diese Gefühle stärker und drängt sie in den Untergrund, von wo aus sie terroristisch tätig werden und Dich schwächen als ständige Energieräuber („Warum fehlt mir oft die Kraft?“…).
Bei der Betrachtung der Gefühle ist es wichtig zu beachten, dass jede Emotion immer zwei Ausformungen haben kann, eine heilsame und eine neurotische. Die heilsamen Gefühle sollten ausgedrückt und gelebt werden, sie entstehen aus aktuellen Lebenssituationen und ich nenne sie Primärgefühle. Die neurotische Seite, das sind alte Kreislaufgefühle jahrelang immer gleich wiederkehrend aus der Vergangenheit, sich aus alten Trauma-Situationen speisend. Ich nenne sie Sekundärgefühle. Nachdem Du Deine Sekundärgefühle kennengelernt hast, solltest Du sie nicht mehr ausleben, zwar wahrnehmen, aber ignorieren und Dich dem Hier-und-Jetzt zuwenden. Dann schwächen sie sich ab und kehren später nicht mehr wieder – vereinfacht gesprochen.
Schutzengel Angst
Angst haben will keiner. Aber wozu ist Angst gut? Wobei hilft uns Angst im Leben? Sie kann uns vor falschen Schritten warnen. Sie gibt uns manchmal mehr Sorgfalt und Vor-Sicht. Sie zeigt uns, wo wir nach übertriebenen Zielen streben, wann wir zu hoch gesteckte Erwartungen haben. Somit ist Angst ein Frühwarn-System der Seele, wenn Du auf die Angst horchen kannst. Somit ist Angst ein Schutzengel, der uns vor Dingen bewahrt, denen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gewachsen sind oder für die wir noch nicht reif sind. Dann macht Angst uns sehr wach und sensibel. In Kuba sagt man, dass im Krieg der siegt, der die grössere Angst hat. In meinem Männerbuch steht geschrieben, dass nicht der Mann am stärksten ist, der sagt, er hätte keine Angst, sondern der, der seine Ängste kennt.
Zweitens: Die neurotische Angst als das ständige Erinnern an ein altes Trauma daß jedes neue Handeln lähmt und oft Beziehungen zerstört. Ich habe Angst vor Liebe und laufe weg aus einer Partnerschaft z.B. oder jemand hat Angst vor Un-sicherheit und kündigt deshalb nicht eine ungeliebte Arbeit und ist lange weiter verhaftet und wendet sich lebenslänglich nicht seiner wahren Bestimmung zu.
Köstliche Ich-stärkende Wut
Wut zeigt uns, was wir nicht wollen und wer wir wirklich sein wollen, hilft uns, uns abzugrenzen und darin viel Kraft zu entfalten. Eine große Wut besteht meistens aus vielen kleinen, vorher nicht geäußerten, und verdrängten „Wütchen“. Wir lehren im Tantra auch die Kultivierung des „Neins“. Sage ‚Nein’, wenn etwas für Dich nicht passt und trage die Verantwortung und die Folgen des ‚Neins’ mit Würde. Das ‚Nein’ zu jemand anders kann oft das JA zu sich selbst sein. Tantra zeigt, dass Du ‚Nein’ sagen darfst, was manche in der Erziehung nicht gelernt haben, ohne Schuldgefühle. Insofern kann ein ‚Nein’ als Abgrenzung ein köstliches Gefühl der Kraft und Freiheit sein. Das ‚Nein’ ohne Begründung ist sogar noch genüsslicher, selbstbewusst geäußert. Das Ausleben von gerechtem Ärger und Situationswut gibt Dir genügend Kraft und genügend Antrieb zu positivem Denken und Handeln. Natürliche Angst oder Wut dauert etwa 15 Sekunden bis 3 Minuten.
Zweitens gibt es da auch die neurotische Wut, die nur zerstört, weil sie ein „Flash back“ eines Traumas ist, z.B. Mutter flippte aus und warf im Jähzorn Sachen durch die Wohnung und schrie. Also schreit Tochter später alle ihre Lebenspartner an, weil sie die Existenzangst der Mutter mit Jähzorn übernommen hat…Diese Form der Wut steht nie in einem realistischen Verhältnis zur Situation, die sie auslöst, sondern ist immer übertrieben.
Herzensöffner Trauer
Trauer hilft uns, uns abzulösen, Trennungen zu verarbeiten und das Herz wieder zu öffnen für die Liebe. Der Trauer liegt immer die Liebe zugrunde. Das Geliebte gehen zu lassen, muss betrauert werden. Eine bewusst erlebte Be-erdigung kann ein sehr tiefes schönes Liebesfest sein, das manchmal inmitten der Trauer sogar etwas Beschwingtes und Fröhliches bekommt. Zum Vollzug von Trennung und Ausleben der Tränen sind Rituale unermesslich wichtig. Ohne Rituale – sinnlich erfahrbar – kann in meinen Augen die Seele Abschiede nicht verstehen.
Zweitens: Die neurotische Trauer – als Dauerdepression, schöne Traurigkeit, chronische Melancholie ohne Grund. Der wahre Grund liegt in unausgedrückter notwendiger Trauer über Verluste oder Trauer unbewusst über Verstorbene der Familie. Dann gibt es sehr weit verbreitet die „Trauer als Liebesbeweis“ = Mitleid, was immer krankhaft ist. Krankhaft deshalb, weil es das eigene Lebensglück zerstört, die Seele schwer macht und niemandem nutzt. Die hartnäckigste und am besten maskierte Form der neurotischen Trauer ist das Selbstmitleid, als einer der größten Dämonen der menschlichen Innenwelt. Selbstmitleid trägt in Wirklichkeit die Botschaft in sich, das Du mehr für Dich selbst als andere dasein sollst und lernen, Dich wahrhaft zu lieben und gut für Dich zu sorgen.
Göttliche Albernheit
Mein Gott, und ich kann nicht umhin, auch noch dieses herrliche Gefühl zu ergänzen. Jemand der zur Albernheit nicht in der Lage ist – egal wie alt – hat die tiefe Weisheit des Lebens nicht verstanden. Solche Menschen sind mir zuwider. Wer Seriösität mit Bierernst verwechselt und erwachsene Reife mit dem Zwang zur Schwere und zur Vernunft, der kennt nur einen kleinen Ausschnitt aus dem grandiosen Kaleidoskop des Lebens. Lache Dich tot, wenn Du Fehler machst, hau Dir auf die Schenkel, wenn Missgeschicke passieren, amüsiere Dich, auch wenn Dein Konto leer ist. Feiere, wenn Dein Partner Dich verlässt, lache über die törichten Dummheiten Deines Egos, staune über die täglichen kleine Wunder im Alltag, lebe kindliche Spiele, zelebriere Blödsinn. Ja, vergiß’ das Spielen nicht, nicht in der Liebe und nicht im Leben – das ist nach der Philosophie der Inder ein Abbild von „Lila“ dem großen kosmischen Spiel der Göttin.
Goldener Gleichmut
Fast hätte ich noch dieses herrliche Gefühl vergessen – oder ist es kein Gefühl? Es ist möglich, weder Liebe, noch Freude, noch Angst, noch Wut, noch Trauer zu fühlen und trotzdem ein starkes Wohlgefühl in sich zu tragen, dass neutral aber keinesfalls gleichgültig oder kalt ist. Dieses von den Meistern als Gleichmut der Weisen beschriebene Gefühl ist neutral und trotzdem – oder gerade deshalb golden. Es ist eine universelle Offenheit für alles. Es ist ein höchst wacher und kreativer Zustand, denn daraus kann in sekundenschnelle jederzeit etwas erwachsen. Es ist der beste Nährboden für intuitives Leben. Aus diesem Zustand heraus machst Du automatisch alles richtig im Leben und kannst alles genießen, was kommt.
P.S.: Die Tochter kommt von ihrer ersten Party heim. Fragt die Mutter: „Na, meine liebe Tochter warst Du auch schön artig?“ „Ja natürlich Mama, wenn ich den Worten von Sven glauben darf, war ich sogar GROSSARTIG!“