TANTRA, RELIGION & PSYCHOTHERAPIE: Erfahrungsbericht meines Besuches am Grab von Bert Hellinger
TANTRA, RELIGION & PSYCHOTHERAPIE
Erfahrungsbericht meines Besuches am Grab von Bert Hellinger von 16.-19. September 2021 in Wals (Salzburg/Österreich) und Ainring
Nachdem ich vom Tod meines verehrten und wichtigen Lehrers Bert Hellinger das erste Mal hörte in der Toscana 2021 – stieg sofort der Wunsch auf, sein Grab zu besuchen. Zu Lebzeiten von Bert war mir schon klar, dass ich diesen Wunsch hatte, ihm die letzte Ehre zu geben und mir war klar, dass das ein kraftvolles Ritual würde auch wenn ich die letzten 20 Jahre weder mit ihm noch mit der Szene des Familienaufstellens physischen Kontakt hatte.
So habe ich den Flieger nach Salzburg und ein Hotel gebucht und recherchiert wo er begraben liegt. So bin ich, ähnlich wie Bert, wenn sich mir eine Intuition aufdrängt, handele und manifestiere ich sofort. Denn das Leben ist zu kurz für Halbheiten und „später mal…“.
Donnerstag kam ich an und war „wild darauf“ ihn an seinem Grab zu treffen, ging im Regen zu Fuss vom Nebenort Siezenheim nach Wals eine Stunde und irrte auf dem Friedhof umher um seinen Namen auf einem Grabstein zu finden, leider vergebens. Ich fragte noch eine alte Dame ob sie wisse wo er liegt und zu zweit gingen wir nochmal fast alle Gräber des kleinen Bergfriedhofes durch…ohne Ergebnis So wanderte ich mehr oder weniger frustriert wieder zurück durch den Regen in mein Hotel. War es vielleicht der falsche Friedhof?
Am nächsten Tag, mittlerweile „angekommen“ auch in der Seele und ruhig geworden, hatte ich morgens meditiert. Dann habe ich noch bei der Gemeinde und dem Friedhofsamt angerufen und nochmals beim Hellingerinstitut nachgefragt in Bischofswiesen…bis mir schließlich jemand von der Gemeinde sagte, das Grab sei direkt hinter der Trauerhalle und zu erkennen an den orangen Studentenblumen Tagetes die komplett sein Grab bewachsen.
So habe ich mich an Tag zwei mit dem kostenlosen Walsi-Taxi hinbringen lassen und zuvor noch Blumen für sein Grab gekauft. Ich hatte das Grab schon wahrgenommen am Vortag – wäre aber nie auf die Idee gekommen dass nur ein einfaches Holzkreuz darauf ist, man sagte mir erst nach 2 Jahren wenn der Boden sich gesetzt hat würde man einen Grabstein draufsetzen.
So hatte Hellinger die Begegnung herausgezögert und mir am ersten Tag eine Absage erteilt, weil ich nicht gesammelt war und heute am zweiten Tag war ich reif.
So gab ich Blumen, weinte spontan und freute mich, zündete ein Räucherstäbchen an und rollte meine Isomatte aus um mit dem mitgebrachten Meditationskissen dort zu meditieren.
Bert, der die Einfachheit und Bescheidenheit liebte, das Holzkreuz und das leuchtende Orange der Tagetes…der Regen hatte aufgehört und die ersten Sonnenstrahlen kamen wieder. Der Duft der Blumen zog viele Bienen und Schmetterlinge an.
Ich dachte: einen feinen Platz hast Du Dir ausgesucht für Deine letzte Ruhestätte rechts die Kirchen von Wals auf einem Hügel oben und links der Blick auf die Alpen…und unterhalb vor dem Friedhof am Weg unterhalb der Mauer noch eine wunderbare Marienstatue, der Himmelskönigin, Symbol der all-liebenden Mutter. Die christliche Herkunft hast Du nie verleugnet und auch nach dem Austritt aus der Kirche gesagt, Du wärest lebenslänglich ein Priester geblieben – wenn auch ohne Konvention und die einengende Moral. Den Ausschlag des Verlassens der Kirche waren die Worte eines Lehrers des Klosters, der gruppendynamische Seminare gab an denen Du teilgenommen hattest bereits in südafrika,
„Bert: Was ist Dir wichtiger, die Ideale oder der Mensch!“ Da fiel es Dir wie Schuppen von den Augen, dass Du mehr dem Menschen dienen wolltest und seinem Glück als den Idealen, die größtenteils zu verkrusteten Dogmen geworden waren, die das Gegenteil von Liebe und Glück oft bewirkten.
Auch mir sagte in jungen Jahren ein Astrologe: Sie sind ein Priester ohne Gemeinde ohne Konvention, ohne Institution, ohne feste Sekte, wie die Kirche eine ist….Da gab es eine Parallele zwischen Bert und mir bei allen Unterschieden. Denn ich war den „Weg der Welt“ gegangen und hatte mich nach meiner asketischen Yogazeit und dem Besuch aller indischen Meister und Gurus die ich finden konnte, danach in das volle Leben gestürzt mit „Frauen und Gold“ und natürlich mit Kindern deren ich heute 6 habe und mit Familie. (Der Astrologe– obwohl seriös – hatte damals in meinem Horoskop keinerlei Kinder gesehen…merkwürdig).
Am Grab sitzend und meditierend, dachte ich: ‚Lieber Bert, Du hattest keine leiblichen Kinder aufgrund irgendwelcher Verstrickungen und hast Dich erst am Lebensende auf die Frauen eingelassen, aber andererseits hattest Du eintausend Kinder in Form von Schülern. Die leuchtend orangen Blüten auf deinem Grab sind die Farbe der indischen Swamis, die in einer Einweihung wie die Mönche allem weltlichen entsagen. Und jede Blüte ist ein Schüler von Dir der die Lehre richtig verstanden hat und richtig weitergibt über Deinen Tod hinaus. Und das Licht Deiner Lehre (im Nachnamen steckt das Wort „hell“) hat so vieler Menschen Leben erhellt, sie befreit und in der Seele der Heilung näher gebracht. Weltweit! Seine an die 300 Bücher wurden in 27 Sprachen übersetzt. Auch meine Berufung und Bestimmung ist es Licht zu geben – „lucian“ mein Geburtsname heisst: Der Leuchtende aus dem lateinischen übersetzt. (lux, das Licht).
Und so sass ich Stunde um Stunde am Grab auch in den nächsten Tagen, hielt innere Zwiesprache, die Blumen verströmten ihren Duft, das ist das was von Dir bleibt lieber Bert, das geistige Werk, das so viele inspirierte, selbst die die später sich von deinen Lehren abgewendet haben oder sie verfälschten…das ist ein unermesslicher Schatz für die Menschheit. Für mich warst Du ein wahrer Heiliger. Ein authentischer Mensch der heil ist und andere heil machte. Gleichzeitig demütig geblieben, eine Kartoffel sei Dir lieber als ein Gourmetessen, in Deiner Garage stände eine 20 Jahre alte Limousine, die noch fährt und daher gut genug ist, schriebst Du in Deiner Autobiografie….demütig warst Du auch, indem Du Deiner letzten Frau Sophie erlaubtest, einiges in der Lehre zu erneuern, zu verändern und anzupassen, egal ob gut oder nicht, und demütig warst Du weil Du bis zum Schluss ein Lernender warst, in Deiner Biografie schriebst Du wie noch mit 90 Jahren ein altes Thema mit Deiner Mutter hochkam, die Du doch unmerklich in einem Aspekt noch nicht ganz genommen hattest und Du stimmtest zu dass Deine Frau Dir eine Miniaufstellung im Wohnzimmer machte um das zu lösen….Der Mensch Hellinger.
Auch nach dem Kloster hast Du die Disziplin behalten um 5 Uhr morgens aufzustehen, mit über 90 Jahren immerhin noch um 6 Uhr: Danach hast Du bis 9 Uhr zum Frühstück Deine spirituellen Übungen gemacht lebenslänglich um zentriert zu sein. Wie Du schriebst hast Du auch in der Meditation die meisten Erkenntnisse über die von Dir gefundenen „Ordungen der Liebe“ gehabt. Diese innere Sammlung hast Du authentisch und mit magischer Sicherheit auf jedem Seminar ausgestrahlt ganz sicher ein Großteil Deines Erfolges.
Nicht nur das, auch vor dem Mittag- und Abendessen hast Du noch einmal jeweils eine Stunde meditiert und täglich in seminarfreien Zeiten noch viele Stunden am Schreibtisch gesessen.
An Deinem Grab kam mir der Titel für mein nächstes neues Buch: „Mut zur Demut“ in dem es darum geht, wie man ganz praktisch sein Leben der göttlichen Führung übergibt um immer perfekt im Flow zu sein, der inneren Stimme, der Intuition zu folgen.
Ich habe über 10 Jahre nichts mehr beschrieben, weil ich spürte dass ich alles Wesentliche meiner Lehre in den 7 ersten Büchern bereits gesagt hätte, ich wollte keine Inflation betreiben.
Ich streute Rosenblätter am Grab, ich schenkte noch einen Strauß am zweiten Tag mit Sonnenblumen – fröhlich sah es aus und feierlich, auf dem Holzkreuz auf einem kleinen Aluminiumschild Dein Rufname ‚Bert Hellinger‘ von Suitbertus dem Klosternamen. Deine Eltern hatten Dich „Anton“ genannt. Der Name fast unsichtbar mit Bronze auf silbergrund aufgedruckt Schlicht wie Du warst und hintergründig und doch so kraftvoll und in Deiner Zeit so machtvoll wirkend.
Ich verneigte mich am Grab mit der Stirn im grauen Kies, öffnete die Hände und bat um Deinen Segen , vor allem bat ich, dass etwas von Deinem Geist in mich übergehe. Und ich bat darum, dass das Familienstellen mir weniger Schmerz und Anstrengung bereiten möge und ich in Deiner sicheren Leichtigkeit das anleiten könne…denn nach 25 Jahren Familienaufstellungsarbeit und über 1000 Aufstellungen verlangte mir diese Arbeit immer das Letzte ab…auch weil es mich an den Schmerz in meiner eigenen persönlichen Familiengeschichte erinnerte erkannte ich plötzlich. Ich hatte schon mehrfach zuletzt überlegt das für immer aufzuhören, auch wenn es meine größte Stärke war und ein Teil der tiefsten Arbeit, die ich tat.
Jetzt konnte ich leicht und fröhlich diese Arbeit tun, das wusste ich und spürte ich….
In Deiner unendlichen Güte und Freundlichkeit gabst Du mir den Segen – wie damals schon auf einem Kongress wo ich im persönlichen Gespräch Dich fragte ob ich das Familienstellen für andere Menschen anfangen solle, ob ich reif dafür sei….und Du mir den Schubs gabst zu starten.
So darf ich leuchten und duften wie die Tagetesblumen auf Deinem Grab, die so fröhlich aussehen und mit ihrem Duft die Bienen und Insekten und Schmetterlinge anziehen.
An Dein Holzkreuz hatte jemand an einem Lederband einen kleinen Keramik-Vogel gehängt…. Ja jetzt kannst Du fliegen Bert, ohne die Hindernisse der Materie und Welt. Fliege!
Die vier Tage bei Dir– die Wallfahrt zu Deinem Grab – fühlte sich an wie ein Seminar bei Dir, wo ich nochmal so viel lernen durfte gemeinsam mit dem Studium Deines letzten Buches: der Autobiografie von Leben und Werk. Dazu war Deine physische Gegenwart in keiner Weise nötig, auf die Gesinnung , die Einstellung kommt es an, auf die Offenheit und Ehrung beim Lernen….auf die innere Empfänglichkeit.
Der letzte Tag bei Dir – so wollte es das Schicksal, war genau Dein Todestag vor zwei Jahren und gleichzeitig in der katholischen Gemeinde Wals der Ernte-Dank-Fest- Sonntag!
Die ganze Gemeinde hatte sich versammelt, die frauen in Dirndl und die Männer in Lederhosen traditionell geschmückte Soldaten mit Eichblättern auf dem Hut und ein Blasorchester waren versammelt genau an Deinem Todestag, wunderbare Blumen und herrliche Früchte von den umliegenden Feldern zauberhaft schön am Altar drappiert, 20 Meter hinter Deinem Grab auf dem Kirchplatz und sie feierten Erntedank. Wahrlich, wenn man Dein Werk betrachtet, können wir heute von Deiner Arbeit so unendlich viel ernten! Jeder auf seine Weise.
Am Grab sitzend, sinnte ich nach in Stille…wer warst Du und was ist das Wesentliche, die Essenz Deiner Lebensleistung für die Menschheit?
Du warst, lebenslang ein Priester im Herzen und wolltest den Himmel auf die Erde bringen und den Menschen helfen. Das ganz Besondere war, dass du den „Gottesdienst“ und die Botschaft der Bibel und von Jesus in eine Sprache gebracht hast und in eine Form mit Deinem Ritual des Familienstellens und der Geschichten, dem wir modernen Menschen uns öffnen können und die wir verstehen! Es ist die Sprache der Psychotherapie in Einfachheit ohne Schnörkel ohne akademische Fachworte der Ärzte und Psychoanalytiker. Einfachheit und Verständnis in der Sprache war Dir immer wichtig. Das Wort ‚Gott‘ hast Du fast nicht mehr gebraucht und doch blieb es als „Geist“ immer Zentrum Deiner Lehre nur anders verpackt als die Kirche es tut; Und daher zeitgemäss und menschlich. Insofern warst Du ein großer Reformator, der den alten Wein in neue Schläuche gegossen hat und ein Pionier in Deiner Zeit, geboren immerhin 1925 ähnlich meinem Vater. Das war ungeheuer mutig von Dir.
Du hast der Psychotherapie das gebracht, was ihr fehlt: das Spirituelle, den Bezug zum Göttlichen. Ohne das wird jede – auch die beste Therapie irgendwann zur Sackgasse, denn irgendwann müssen wir über die Bedingtheit des Egos und unserer Vergangenheit hinausgehen und uns einer größeren Macht öffnen für unsere innere Gesundung. Und andererseits hast Du auch der Kirche und dem Christen-Sein etwas gebracht, was dort fehlte: die Beziehung zur Erde, die Verbindung von spirituell und alltäglich, und so erdet die Familienaufstellung und bringt die göttliche Botschaft in den Alltag und in die täglichen Routinen, die oft so materialistisch und sinn-entleert sind.
Lieber Bert, dich und mich trennen fast 40 Jahre im Alter, drei 3 Generationen und so ist meine Sprache und meine Rituale des „Tantra“ – wieder den modernen Menschen und der Zeitströmung angepasst, damit die einzige Lehre verstanden wird.
Du warst stark – all die Anfeindungen die es vermehrt gab, als Dein „Welterfolg“ mit über 60 Jahren startete, all die Neider, die Deinen Erfolg nicht aushalten konnten und die die absurdesten Beschuldigungen konstruiert haben hast Du einfach ignoriert, um all Deine Energie auf Deine Arbeit zu konzentrieren und möglichst vielen Menschen zu helfen.
Wie weise. Ich konnte und kann so viel von Dir lernen. Du hattest alle Erscheinungen und Eigenschaften eines indischen Erleuchteten, das ist kulturübergreifend und unabhängig von der Glaubensform und Zeit und Kultur.
Dem heißen Eisen der Frauen und Sexualität hast Du Dich erst spät im Leben ausgeliefert – weil auch das zu Deiner Erfahrungsfülle und Deinem Reichtum beitragen sollte. So warst Du der „Narziß“, der noch im Alter zum „Goldmund“ wurde, um mit den Worten von Hermann Hesses Roman zu sprechen. Ich bin eher der Goldmund – und Tantra bedeutet, in der Welt zu leben und in die Versuchungen bewusst reinzugehen anstatt sich ihrer zu enthalten – mit dem gleichen Ziel, Gotterkenntnis, Erleuchtung, höchster Frieden und höchste Seligkeit zu erlangen.
Bevor ich ging am Erntedank-Sonntag dankte ich Dir. Ich danke für so Vieles, auch dafür dass Du mich hast hinknien lassen in meiner eigenen Aufstellung bei Dir als Scheidungskind und die Harmonie meiner Eltern vor der Scheidung mich hast verinnerlichen lassen, bevor ich also ging bat ich noch um den Abschluss-Segen und
Die Botschaft an mich als Essenz meines Besuches an Deinem Grab….
Du gabst die Botschaft nach einiger Zeit und es war keine die von Dir kommt, – nur durch Dich, vom universellen großen Geist – und intuitiv perfekt passte sie genau für mich persönlich: